Agentic Commerce: Das neue Machtgefüge im digitalen Handel
Einige technologische Wellen bauen sich langsam auf. Andere reißen das Ufer mit sich. Agentic Commerce gehört zweifellos zur zweiten Kategorie.
Während KI-Agenten zunehmend die Rolle übernehmen, die einst Suchmaschinen, Marktplätze und Händler innehatten, verändert sich das kommerzielle Spielfeld rasant. Diese Agenten bestimmen künftig, welche Produkte sichtbar werden, welche Marken Reichweite gewinnen – und bei wem letztlich der Kauf stattfindet.
Für einige Unternehmen eröffnet sich dadurch ein neues Wachstumskapitel. Für andere kann dieser Wandel leise, aber tiefgreifend die Grundlage ihres Geschäftsmodells erschüttern.
Doch überraschend ist dieser Wandel nicht. Wer genau hinsah, konnte die Zeichen längst erkennen:
- Kunden suchten nicht mehr – sie fragten.
- Checkout-Prozesse schrumpften auf einen Klick.
- KI wurde Teil des Alltags.
Agentic Commerce kam also nicht über Nacht. Es ist das Ergebnis aus technologischen, verhaltensbezogenen und ökonomischen Kräften, die sich seit Jahren anbahnen – und nun gemeinsam ein Momentum schaffen, das sich nicht mehr aufhalten lässt.
Die Treiber des Wandels
KI wird zum ersten Touchpoint
Immer mehr Nutzer beginnen ihre Customer Journey nicht bei Google oder Amazon, sondern bei einem KI-Assistenten. Statt lange Produktlisten zu durchforsten, fragen sie: „Welcher Reiniger hilft gegen Rotweinflecken?“ oder „Welche Lampe passt zu skandinavischem Design?“
Der Aufstieg des Zero-Click-Commerce
Jeder Klick erzeugt Reibung – und verringert Konversionsraten. Agentic Commerce eliminiert diese Reibung: Entdeckung, Vergleich und Kauf finden in einer einzigen Schnittstelle statt. Analysten sprechen bereits von Zero-Click-Search – die erste Antwort ist zugleich der Kaufabschluss.
Neue Monetarisierungsmodelle für KI
Nach der Abo-Welle suchen KI-Anbieter nach nachhaltigen Geschäftsmodellen. Transaktionsgebühren und Händlerprovisionen bieten neue Einnahmequellen – und verknüpfen Plattformanreize direkt mit messbaren Verkaufsergebnissen.

Standardisierung durch offene Protokolle
Rahmenwerke wie das Agentic Commerce Protocol (ACP) ermöglichen eine gemeinsame Datensprache zwischen KI-Agenten und Händlern. Diese Interoperabilität erlaubt Skalierung ohne individuelle Integrationen für jede Plattform.
Reife von Sprachmodellen
Moderne KI-Modelle verstehen komplexe Nutzerabsichten, bewerten mehrdimensionale Produktattribute und liefern kontextbasierte Empfehlungen. Damit können sie erstmals Kaufentscheidungen mit menschlicher Präzision begleiten.
Steigende Kundenerwartungen
Kunden erwarten heute sofortige Antworten und One-Step-Aktionen. Wer einmal erlebt hat, wie einfach sich ein Kauf per Chat anbahnt, wird diesen Komfort nicht mehr aufgeben – und Marken werden sich diesem Standard anpassen müssen.
Während all diese Kräfte an Dynamik gewinnen, verschiebt sich das Kräfteverhältnis im gesamten Commerce-Ökosystem und zeichnet eine neue Wettbewerbslandkarte. Die Gewinner werden diejenigen sein, die ihre Daten, Architekturen und Geschäftsmodelle konsequent auf eine KI-zentrierte Welt ausrichten. Wer das nicht kann – oder nicht will – läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren.
Wer von Agentic Commerce profitiert
Digital reife Händler und Marken
Wer bereits auf API-first-Architekturen, strukturierte Produktdaten und gepflegte Kataloge setzt, wird schnell sichtbar. KI-Agenten greifen auf diese Daten zu – und machen Produkte direkt im Gespräch kaufbar.
Nischenanbieter und Longtail-Seller
Kleine Händler mit besonderen Produkten erhalten Reichweitenchancen, die sie über klassische Suchmaschinen oder Werbung nie erreicht hätten. Qualität und Relevanz schlagen Größe und Budget.

FinTechs und Infrastrukturanbieter
Zahlungsplattformen wie Stripe, die das ACP mitentwickelt haben, werden zur zentralen Schicht des neuen Commerce-Ökosystems. Wer die Transaktionsinfrastruktur bereitstellt, sichert sich entscheidende Wertschöpfungsanteile.
KI- und Plattformbetreiber
Conversational Interfaces werden zu den neuen Gatekeepern: Sie steuern Sichtbarkeit, Ranking und Provisionen pro Transaktion.
Konsumenten
Kunden profitieren von einer nahtlosen Journey: Frage stellen – Empfehlung erhalten – Kauf abschließen. Ohne Zwischenschritte, ohne Medienbrüche.
Wer Marktanteile verlieren könnte
Traditionelle Marktplätze und Intermediäre
Wenn Käufe direkt in Chat-Interfaces starten, verlieren klassische Marktplätze wie Amazon ihre Gatekeeper-Rolle. Reichweite und Conversion verlagern sich auf die KI-Ebene.
Preisvergleichsportale und Aggregatoren
Da KI Preise und Produkte intern vergleicht, verlieren externe Vergleichsplattformen an Relevanz. Der Assistent wird selbst zur Vergleichslogik – personalisiert, dynamisch, unsichtbar.

Starke Marken mit eigenem Storefront
Agentic Commerce stellt das Konzept markeneigener Kundenerlebnisse infrage. Wenn eine Transaktion über ein KI-Interface erfolgt, verliert die Marke die Kontrolle über Layout, Storytelling und visuelle Identität – ihre Sichtbarkeit hängt dann vollständig von der algorithmischen Relevanz ab.
Datenarme Händler
Ohne saubere Produktdaten, Metadaten und APIs bleiben Produkte für KI unsichtbar – egal wie gut sie sind.
Performance-Marketing-Modelle
Wenn Nutzer Websites und Suchmaschinen umgehen, verlieren klassische SEO-, SEA- und Retargeting-Strategien an Schlagkraft. Sichtbarkeit entsteht dann über Datenqualität, Struktur und AI-Channel-Integration.
Fazit: Der Handel wird neu verteilt
Die Ära des Agentic Commerce schreibt die Spielregeln neu. Nicht mehr Marktplatzbetreiber oder Budgets entscheiden über Sichtbarkeit – sondern Algorithmen.
Produktdaten werden zur eigentlichen Marketingwährung. Anpassungsfähigkeit wird zur Kernkompetenz. Wer früh investiert, lehrt die KI, Marken und Produkte zu erkennen, zu priorisieren und zu empfehlen.
👉 Die Gewinner: Unternehmen, die die Sprache der KI fließend sprechen.
👉 Die Verlierer: Diejenigen, die versuchen, in einem Markt sichtbar zu bleiben, den sie nicht mehr kontrollieren.
Das könnte Ihnen auch gefallen:
- Agentic Commerce, Teil 1: So werden Gespräche zu Käufen » Mehr erfahren
- Unser Fachwissen: Künstliche Intelligenz » Mehr erfahren
- Pharma & KI: Die Gewinner im globalen AI Readiness Index 2025 » Mehr erfahren
- KI-gesteuerte Personalisierung im B2B-E-Commerce: Von der Empfehlungslogik zum Echtzeit-Erlebnis » Mehr erfahren
- Viele deutsche Unternehmen erkennen die Chancen, die Künstliche Intelligenz ihnen bietet » Mehr erfahren

